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1. Staats- und Wirtschaftslehre - S. 1

1910 - Vohwinkel : Selbstverl. H. Jösting
Dritter Teil. Staatslehre. Allgemeines über staatliche Einrichtungen. Der Staat ist die rechtliche Zusammenfassung der Ein- wohner eines bestimmten Gebiets unter einem einheitlichen leitenden Willen. Diese ordnende, befehlende Macht nennt man Staats- gewalt. Die Zusammenfassung unter die Staatsgewalt ist not- wendig, da bei der Verschiedenartigkeit der Neigungen, Fähigkeiten und Bedürfnisse einer größeren Gemeinschaft eine ordnende, befeh- lende Macht vorhanden sein muß zum Schutz vor Uebergriffen und zur Erledigung gemeinschaftlicher Angelegenheiten. Die Rechte und Pflichten der Bevölkerung gegenüber dem Staate regelt die Staatsverfassung. Die Einwohner werden bei Hervorhebung der ihnen zustehenden Rechte Staatsbürger, bei Hervorhebung der Pflichten Untertanen genannt. Die staatliche Tätigkeit äußert sich auf dem Gebiete der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung. Träger und Inhaber der Staatsgewalt ist entweder ein Einzelner (Alleinherrschaft, Monarchie) oder eine Mehrheit von Personen (Freistaat, Republik). Man unterscheidet die absolute Monarchie (z. V. Rußland) und die konstitutionelle Monarchie (z. B. Preußen), je nachdem die Machtbefugnisse des Herrschers unbeschränkt oder durch Mitwirkung des Volkes oder Vertreter desselben beschränkt sind. Diese Beschränkung ist vor allem auf dem Gebiete der Gesetzgebung gegeben. Staaten- verbindungen sind Bundesstaat und Staatenbund. Bei der Bildung eines Bundesstaats entsteht ein selbständiger neuer Staat, dem gegenüber die Einwohner unmittelbare Rechte und Pflichten übernehmen; z. B. in Deutschland Angehörigkeit zum Reich und dem betr. Bundesstaat, sowie Wehrpflicht. Es entsteht ein doppeltes Staatsbürger- und Untertanenverhältnis. Der Staatenbund hin- gegen verpflichtet nur die Oberhäupter der angehörigen Einzel- staaten zu gemeinsamem Vorgehen; sein Zweck pflegt vorwiegend in der Abwehr feindlicher Angriffe zu liegen. Jösting, Betriebs-, Staats- u. Wirtschaftslehre. 1

2. Staats- und Wirtschaftslehre - S. 2

1910 - Vohwinkel : Selbstverl. H. Jösting
2 Staatslehre. Das Staatsoberhaupt ist Träger der gesamten Staats- gewalt, doch ist ein Teil derselben, die Rechtsprechung und die Verwaltung zur Durchführung der Gesetze anderen Personen, den Staatsbeamten, übertragen. Die oberste Verwaltung bildet, so weit sie nicht dem Oberhaupt vorbehalten ist, das Ministerium, im Deutschen Reiche die Reichsverwaltung. Die unterste Ver- waltung liegt in der Gemeinde. Zwischenstufen sind z. B. Pro- vinzen, Regierungsbezirke und kreise. Die Gemeinden bilden den kleinsten Teil des Staatsorganismus und haben deshalb auch bestimmte Rechte, namentlich in Bezug auf ihre Verwaltung und Verfassung. Die nächst höhere Stufe bildet im Königreich Preußen der Kreis, die darauffolgende höhere Instanz die Regierung und die nun folgende die Provinz. Die Verhältnisse und Beziehungen der Regierung zu den Untertanen und die der letzteren zu einander werden, soweit sie für die Gesamtheit von Interesse sind, durch das öffentliche Recht geregelt. In diesem sind die Aufgaben und die Form der Ver- waltung niedergelegt. Die Rechtsverhältnisse der einzelnen Menschen zu einander ordnet das Privat- oder bürgerliche Recht. Das Strafrecht gewährleistet im Interesse der Gesamtheit den persönlichen Schutz. Die Rechtsvorschriften heißen Gesetze, die- jenigen Rechtsvorschriften, welche ohne Mitwirkung der Volks- vertretung erlassen werden, Verordnungen. Polizeiverordnungen bedürfen jedoch meistens der Zustimmung der Vertretung der Bezirkseingesessenen. Durch Verfügungen wird dem Einzelnen mitgeteilt, wie er seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen hat. Die Aufgaben des Staates erstrecken sich namentlich auf den Schutz nach außen und den Schutz nach innen, also auf Sicherheit der Person und des Eigentums, sowie auf Förderung der Wohlfahrt und Bildung. Zum Schutze gegen das Ausland dienen namentlich Heer und Flotte, für die sich im Ausland aufhaltenden Staatsangehörigen die Gefand- schaften und Konsuln. Der Schutz im Innern wird durch Gerichte und Polizei ausgeübt, z. B. durch bestimmte Zah- lungsmittel, Aichung der Maße und Gewichte und Anlage von Grundbüchern. Die Gesundheit der Staatsbürger wird durch Kontrolle der Nahrungsmittel sowie Gesetze behufs Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, behufs Herstellung guter Woh- nungen u. dergl. m. ausgeübt. Die Wohlfahrtspflege zeigt sich erstens in der unmittelbaren Förderung der Arbeit und Produk- tion, z. B. durch Schaffung von Verkehrseinrichtungen, Einführung von Schutzzöllen gegen das Ausland und Abschluß von Handels-

3. Staats- und Wirtschaftslehre - S. 3

1910 - Vohwinkel : Selbstverl. H. Jösting
Staatliche Einrichtungen. 3 vertragen, und sodann in der sozialen Gesetzgebung, z. B. der Arbeiterversicherung und Gewerbeordnung. Die Bildung wird durch Unterstützung wissenschaftlicher Unternehmungen und gemein- nütziger Vereine, sowie Gründung und Unterhaltung von Bildungs- anstalten (Universitäten, Hochschulen, Gymnasien, Volksschulen, Kirchen u. dergl. m.) gefördert. Der Staat kann seine Aufgaben aber nicht erfüllen ohne Mitwirkung und bestimmte Verpflichtungen der Unter- tanen. Deshalb ist zum Schutz gegen außen und nach innen die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Auch müssen die Untertanen zu den Staatlasten beitragen, denn Heer und Flotte, der Bau von Straßen und Kanälen, die Errichtung öffentlicher Gebäude, die Beamtengehälter und andere Aufgaben erfordern große Kosten. Diese Abgaben nennt man im allgemeinen Steuern. Es wird zwischen direkten und indirekten Steuern unterschieden, je nach- dem sich die Steuer an die Einkommensgewinnung, wie an den Ertrag aus einem gewerblichen Unternehmen, knüpft, wie die Einkommensteuer, oder an die Einkommensverwendung, wie die Fahrkartensteuer. Neben diesen beiden Arten bestehen noch die Uebergangssteuern, z. B. die Erbschafts- und die Umsatzsteuer. Außerdem fließen dem Staate unter anderem auch die Einnahmen aus den Zöllen zu, doch sollen sie nicht zu diesem Zweck, sondern lediglich zum Schutz der heimischen Produktion eingeführt werden. Je größere Aufwendungen der Staat macht zur Förderung des Wohles und der Bildung seiner Untertanen, um so mehr müssen die Bürger auch zu den Staatslasten beitragen und um so größeren Nutzen haben sie von den Aufwendungen. Die erste Pflicht sämt- licher Staatsbürger aber ist, der Obrigkeit Gehorsam und Ver- trauen entgegenzubringen. Wenn dem Staatsbürger das Recht gegeben ist, an der Gesetzgebung und Verwaltung mitzuarbeiten, dann hat er auch die Pflicht, dabei mitzuwirken. Deshalb erscheint es zunächst unbedingt geboten, daß der Staatsbürger mit den staatlichen Einrichtungen und den wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen einigermaßen bekannt ist. Er wird dann auch ein um so besserer und nützlicherer Staatsbürger sein und gegen die Gesetze um so weniger verstoßen. Die Segnungen der Kultur kann sich der Einzelne unmög- lich verschaffen, vielmehr ist nur die Vereinigung einer größeren Zahl von Menschen imstande, durch gemeinsames Tun und Han- deln und zeitweise gegenseitige Unterstützung die Aufgaben zu er- füllen, welche die stetigwachsende Kultur an den Staat stellt. Jeder Bürger muß im Verhältnis seiner Leistungsfähigkeit und

4. Staats- und Wirtschaftslehre - S. 4

1910 - Vohwinkel : Selbstverl. H. Jösting
4 Staatslehre. Bildung zur Erfüllung dieser Aufgaben beitragen und auch zur Mitarbeit am Staats- und Gemeindeleben bereit fein. Er soll Nächstenliebe betätigen, den Wert jedes Berufsstandes würdigen, den Wert jeder Arbeit schätzen, mag sie äußerlich auch noch so gering erscheinen, und das Wohl des Ganzen jederzeit seinem Ich voranstellen. Dann wird sich auch ein um so gedeihlicheres öffent- liches Leben entwickeln. A. Das Deutsche Reich. Das Deutsche Reich umfaßt rund 540000 qkm und zählt zur Zeit über 62,5 Millionen Einwohner. Bis zum Jahre 1806 bestand das alte im Mittelalter entstandene Deutsche Reich, welches sich auf die meisten Gebietsteile des jetzigen Deutschen Reichs und außer diesen vor allem auch auf Oesterreich, dessen Herrscher- Deutscher Kaiser war, erstreckte. Die Oberhoheit des damaligen Kaisers war im Laufe der Jahrhunderte jedoch fast ganz verloren gegangen; ferner hatte sich eine große Zahl kleiner und kleinster selbständiger Staaten gebildet. Sie betrug gegen Ende des 18. Jahrhunderts etwa 300. Die Folge war Deutschlands Ohnmacht gegenüber Napoleon I. Auch der im Anschluß an die Freiheits- kriege im Jahre 1816 gebildete Deutsche Bund, ein Staatenbund, war von nur lockerem Gefüge. In dessen Zentralorgan, dem Bundestag in Frankfurt a. M., führte Oesterreich den Vorsitz. Immerhin bedeutete die Aufhebung der Kleinstaaterei schon einen Fortschritt. Die Ereignisse des Jahres 1866 veranlaßten Oesterreich, seine großdeutschen Bestrebungen fallen zu lassen, und Preußen übernahm, unter Ausschluß von Oesterreich, die Bildung des Norddeutschen Bundes. In diesem erkennen wir die Grundlagen unseres jetzigen, fest in sich geschlossenen Deutschen Reiches. Letzteres entstand während des Krieges 1870/71 durch Anschluß der süd- deutschen Staaten an den Norddeutschen Bund, dessen Verfassung diese Aufnahme schon vorgesehen hatte. Besiegelt wurde die Grün- dung des Deutschen Reiches durch die am 18. Januar 1871 zu Versailles erfolgende Proklamation des Königs von Preußen zum Deutschen Kaiser. Zum Deutschen Reich gehören 26 Einzelstaaten, nämlich die vier Königreiche Preußen, Bayern, Sachsen und Württemberg; die sechs Großherzogtümer Baden, Hessen, Oldenburg, Mecklenburg- Schwerin, Mecklenburg-Strelitz und Sachsen-Weimar; die fünf Herzogtümer Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha und Anhalt; die sieben Fürstentümer

5. Staats- und Wirtschaftslehre - S. 5

1910 - Vohwinkel : Selbstverl. H. Jösting
A. Das Deutsche Reich. 5 Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reutz ä. L., Reutz j. L., Schaumburg-Lippe und Lippe-Detmold; die drei freien Städte Lübeck, Bremen und Hamburg und das Reichsland Elsatz-Lothringen. Reichsverfassung und Reichsverwaltung. Das Deutsche Reich ist ein ewiger Bund zum Schutze des Bundesgebiets und des innerhalb desselben gültigen Rechts, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes. Die Einzelstaaten haben einen Teil ihrer Rechte dem Reiche übertragen, so daß jeder Angehörige eines dem Bunde ungehörigen Staates zugleich Unter- tan des Deutschen Reichs ist (Bundesstaat). Nach der Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 wird die Reichsgesetzgebung durch den Bundesrat, d. h. die Vertretung der deutschen Landesfürsten, und den Reichs- tag, d. h. die Volksvertretung, gemeinschaftlich ausgeübt. Die Vertreter im Reichstag werden auf Grund des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts gewählt. Die aktive und passive Wahlberechtigung beginnt mit Vollendung des 25. Lebensjahres. Die Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Vertretungen ist zu einem Reichsgesetz erforderlich und ausreichend. Der Reichs- gesetzgebung unterliegen vor allem das gesamte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren, das Militärwesen des Reichs und die Reichsmarine (Bewilligung der erforderlichen Stärke), die Zoll- und Handelsgesetzgebung, die Ordnung des Matz-, Münz- und Gewichtssystems (die Prägung der Münzen ist den Einzelstaaten überlassen), das Post- und Telegraphenwesen, die Bestimmungen über Freizügigkeit, Heimats- und Niederlassungs- verhältnisse, das Staatsbürgerrecht und den Gewerbebetrieb, ein- schlietzlich des Versicherungswesens. Die Durchführung der Gesetze, der Verwaltung und der Rechtsprechung ist hingegen den Einzel- staaten überlassen. Der Kaiser beruft den Bundesrat und den Reichstag, er verkündet die Reichsgesetze, vertritt das Reich nach autzen, schließt Verträge und Bündnisse mit anderen Staaten ab, erklärt den Krieg und schließt den Frieden im Namen des Reiches, führt den Ober- befehl über Heer und Flotte und ernennt die Reichsbeamten. Der Bundesrat besteht aus den Vertretern der Mitglieder des Bundes, also der Einzelstaaten, und zählt 58 Stimmen. Da- von entfallen auf Preußen 17, auf Bayern 6, auf Sachsen und Württemberg je 4, auf Baden und Hessen je 3, auf Mecklenburg-

6. Staats- und Wirtschaftslehre - S. 6

1910 - Vohwinkel : Selbstverl. H. Jösting
6 Staatslehre. Schwerin und Braunschweig je 2 und auf die anderen Staaten je 1 Stimme. Der Bundesrat beschließt über Vorlagen, welche dem Reichstage gemacht werden sollen und bestätigt oder verwirft die aus dem Reichstage hervorgegangenen Anträge. Ferner be- schließt er die zur Ausführung der Reichsgesetze nötigen allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen. Der Reichstag besteht aus 397 Vertretern, welche vom Volke gewählt werden. Der Reichstag hat das Recht, Gesetze vorzuschlagen und Bittgesuche, welche an ihn gerichtet wurden, dem Bundesrate oder Reichskanzler zu übermitteln. Auch beschließt er über die vom Bundesrate vorberatenen Gesetze. Die Verwaltung des Reichs geschieht durch verschiedene Behörden. An der Spitze der gesamten Reichsverwaltung steht der Reichskanzler. Er wird vom Kaiser ernannt, führt den Vorsitz im Bundesrate, verwaltet die Reichsangelegenheiten, über- wacht die Ausführung der Reichsgesetze und ist verantwortlich für vom Kaiser getroffene Verordnungen und Verfügungen. Für die Verwaltung der einzelnen Zweige dienen Reichsämter, an deren Spitze Staatssekretäre stehen. Die Reichsämter sind: 1. Das Auswärtige Amt. Es hat die Beziehungen mit aus- wärtigen Staaten zu leiten. Ferner unterstehen ihm die Ge- sandten und Konsuln. 2. Das Reichsamt des Innern. Dazu gehören das Kaiser- liche statistische Amt, das Gesundheits-Amt, das Reichsversiche- rungs-Amt, das Patent-Amt, das Bundesamt für Heimatwesen und andere Aemter. 3. Das Reichs-Marineamt, die oberste Verwaltungsbehörde der Kriegsflotte. 4. Das Reichs-Justizamt. Es beaufsichtigt die Rechtspflege. 5. Das Reichs-Schatzamt. Es verwaltet die Reichsfinanzen. 6. Das Reichs-Eisenbahnamt. Es führt die Oberaufsicht über die Eisenbahnen der Einzelstaaten. 7. Das Reichs-Postamt für Post-, Telegraphen- und Fern- sprechwesen, abgesehen von Bayern und Württemberg. 8. Das Reichs-Kolonialamt. Zur Verwaltung der Militärangelegenheiten bedient sich das Reich des preußischen Kriegsministeriums.

7. Staats- und Wirtschaftslehre - S. 7

1910 - Vohwinkel : Selbstverl. H. Jösting
A. Das Deutsche Reich. 7 Jeder Staatsangehörige eines deutschen Bundesstaates ist Reich sän geh origer. Er ist in jedem Bundesstaat berechtigt zu festem Wohnsitz, zum Gewerbebetrieb, zur Bekleidung öffent- licher Aemter, zum Erwerb von Grundstücken u. dergl. m. wie jeder Einheimische. Lei st ungen des Reichs. Die Leistungen des Reichs beziehen sich zunächst auf den Schutz gegen äußere Feinde. Deshalb unterhält das Reich Heer, Flotte und Festungen. Alsdann übt das Reich auch den Rechtsschutz im Innern aus. Das Privatrecht ist durch das Bürgerliche Gesetzbuch in ganz Deutschland einheitlich geregelt. Der Schutz der Gesundheit der Untertanen wird ausgeübt durch das Reichs-Gesundheitsamt; das Gesetz, betr. den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln; das Gesetz, betr. Bekämpfung gemein- gefährlicher Krankheiten; das Gesetz, betr. Schlachtvieh und Fleisch- beschau; das Gesetz, betr. Abwehr und Unterdrückung von Vieh- seuchen, und das Jmpfgesetz. Die Förderung der Wohlfahrt geschieht durch Er- hebung von Schutzzöllen, Abschluß von Handelsverträgen, Erwer- bung von Schutzgebieten, Unterstützung wissenschaftlicher Unter- nehmungen, Ausbau des Verkehrswesens, gleiche Ordnung für Maße, Gewichte, Münzen und Zeit und die Arbeiterschutzgesetz- gebung. Leistungen an das Reich. Das Reich verlangt von den Untertanen: 1. Militärische Leistungen, z. B. die allgemeine Wehrpflicht und im Frieden die Gewährung von Naturalien, Quartier, Vorspann u. s. w. bei militärischen Uebungen. 2. Steuern, jedoch nur indirekte, z. B. die Verbrauchssteuer auf Branntwein, Bier, Zucker, Tabak, Zigaretten, Schaumwein und Salz. Außerdem gibt es als Verkehrssteuern die Börsensteuer und verschiedene Stempelsteuern, z. B. auf Wechsel, Spielkarten, Erhschaften, Aktien, Frachturkunden und Eisenbahnfahrkarten. 3. Weiter hat das Reich Einnahmen durch Erhebung von Ein- fuhrzöllen. Die Zölle auf die wichtigsten landwirtschaft- lichen Erzeugnisse betragen nach dem Tarif vom 27. Febr. 1905:

8. Staats- und Wirtschaftslehre - S. 9

1910 - Vohwinkel : Selbstverl. H. Jösting
B. Das Königreich Preußen. 9 348 740 qkm und die Einwohnerzahl 38,5 Millionen. Die Gesetzgebung wird durch den Aönig und die beiden Häuser des Landtags (Herrenhaus und Abgeordnetenhaus) ausgeübt. Zu den Gesetzen müssen beide ihre Zustimmung er- teilen. Das Herrenhaus setzt sich zusammen aus den Häuptern derjenigen Familien, welche früher selbständige Fürsten waren oder eine ähnliche hervorragende Stellung erlangt hatten, aus Vertretern der Grafenverbände der Provinzen und des alten und befestigten Grundbesitzes, der Universitäten und der großen Städte, sowie einer größeren Zahl von Personen, welche der König wegen her- vorragender Leistungen aus besonderem Vertrauen beruft. Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses sind Gewählte des Volkes. Urwähler in seiner Gemeinde ist jeder selbständige (ver- fügungsfähige) Preuße nach Vollendung des 24. Lebensjahres, der sich im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte befindet, keine öffentliche Armenunterstützung erhält und in der Gemeinde seit 6 Monaten Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Für Militärpersonen ruht das aktive Wahlrecht. Wählbar ist jeder Preuße, der das 30. Lebensjahr vollendet hat, im Vollbesitz der bürgerlichen Ehren- rechte ist und ein Jahr dem preußischen Staatsverbande angehört. Die Urwahl erfolgt nach der Dreiklassenordnung, die ein Gleich- gewicht der Wohlhabenden, des Mittelstandes und der Unbemittelten herstellen soll. Die Urwähler wählen Wahlmänner und die Wahlmänner eines Bezirkes den Abgeordneten. Die Ab- gabe der Stimme geschieht durch öffentliche Nennung des Namens. Zu jedem Gesetze ist die Uebereinstimmung zwischen dem Könige und den beiden Häusern des Landtages erforderlich. Die Gesetze treten erst in Kraft, nachdem der König sie genehmigt hat. Die Rechtsprechung erfolgt durch Gerichte, doch steht dem Könige das Recht der Begnadigung zu. Die Gesetze werden durch die Staatsverwaltung aus- geführt. Oberste Staatsbehörde ist das Staats-Ministerium, die Gesamtheit der Minister. Die einzelnen Ministerien sind: 1. Das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, zugleich Auswärtiges Amt des Deutschen Reichs. Deshalb ist der preußische Ministerpräsident in der Praxis auch deutscher Reichs- kanzler. 2. Das Kriegsministerium. 3. Das Justizministerium.

9. Staats- und Wirtschaftslehre - S. 10

1910 - Vohwinkel : Selbstverl. H. Jösting
10 Staatslehre. 4. Das Finanzministerium. 5. Das Ministerium des Innern. 6. Das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- angelegenheiten (Kultusministerium). 7. Das Ministerium für Handel und Gewerbe. 8. Das Ministerium der öffentlichen Arbeiten. 9. Das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Leistungen des Staates. Der Staat gewährt den Schutz der Person und des Eigen- tums durch die Rechtspflege und Einrichtung der Polizei. Außer- dem läßt sich der Staat die Kulturpflege (Kirchen- und Schulwesen, Universitäten, Kunst und Wissenschaft) und die Wirtschaftspflege (Handel, Gewerbe, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft, Bergbau, einschließlich Kapitalpflege z. B. bei Sparkassen und durch Beauf- sichtigung der Aktiengesellschaften u. s. w.) angelegen sein. Einnahmen des Staates und Lei st ungen an den Staat. Die Haupteinnahmen des preußischen Staates ergeben die Ueberschüsse aus den Eisenbahnen; ferner kommen vor- wiegend in Betracht die Einkünfte aus Domänen, staatlichen Forsten und Bergwerken. Da der Staat zum Zwecke der allgemeinen Verwaltung und zur Befriedigung eben genannter Bedürfnisse seiner Bewohner er- hebliche Aufwendungen macht und die eben genannten Einnahmen nicht ausreichen, so verlangt der Staat Steuern. Solche Steuern sind die Einkommen- und die Ergünzungssteuer, ferner Stempel- und Erbschaftssteuer. Die S t e m p e l st e u e r n werden durch Kauf der Stempel- marken bezahlt, die Erbschaftssteuer und die indirekten Steuern, welch letztere größtenteils an das Reich abgeführt werden, durch die Oberzolldirektionen erhoben. Die Einkommen- und die Ergän- zungssteuer erheben die Gemeinden, und diese führen sie durch die Kreiskassen und Regierungshauptkassen der Generalstaatskasse zu. Durch die Einkommensteuer soll das Einkommen der Personen, welches 900 M., das Eristenzminimum, übersteigt, be- troffen werden. Der Steuerfuß (Prozentsatz) steigt mit der Höhe des Einkommens.

10. Staats- und Wirtschaftslehre - S. 11

1910 - Vohwinkel : Selbstverl. H. Jösting
B. Das Königreich Preußen. 11 Bei einem Einkommen von 900 M. ist der Steuersatz 0,66 %, die Steuer 6 Mark 1600 1,06 „ „ 16 „ 2400 1,50 „ „ 36 „ 6000 „ 2,36 „ „ 118 „ 10000 „ „ 3.00 „ „ 300 „ 100000 „ 4,00 „ „ 4000 „ 100000 bis 104000 „ 4,60 „ „ 4600 » Bei Einkommen von mehr als 104000 M. steigt die Steuer in Stufen von je 4000 M. um 4,5 °/o oder 180 M. Die Berechnung des Einkommens erfolgt nach dem Ergebnis des letzten Kalenderjahres, bei kaufmännischen, gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben jedoch, falls ordnungsmätzige Buch- führungen vorliegen, nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre. Das Gesetz bezeichnet das etwaige Nichtvorhandensein von Buch- führungen geradezu als einen Mangel, und nur aus Gründen, welche in der Natur des Einkommens selbst liegen, darf die Ent- bindung von der ziffermätzigen Angabe des Einkommens bean- sprucht werden, nicht aber deshalb, weil der Steuerpflichtige die zur Erfüllung der Steuererklärungspflicht erforderlichen Aufzeich- nungen über seine tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben unterlätzt. Gewährt ein Steuerpflichtiger, dessen Einkommen den Betrag von 6500 M. nicht übersteigt, Bindern oder anderen Familien- angehörigen auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt, so werden die Steuersätze ermäßigt um eine Stufe bei Vorhandensein von 2 derartig. Familienangehörigen zwei Stufen „ „ 3 oder 4 „ drei „ „ „ 6 „ 6 „ Bei Einkommen von mehr als 6500 bis 9500 M. wird der Steuersatz ermäßigt um eine Stufe, wenn 3, und um 2 Stufen, wenn 4 oder 5 derartige Familienangehörige vorhanden sind. Für je zwei weitere derselben tritt eine Ermäßigung um eine weitere Stufe ein. Jeder bereits mit einem Einkommen von mehr als 3000 M. Veranlagte ist zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet, der noch nicht so hoch Veranlagte jedoch dann, so bald eine be- sondere^ Aufforderung dazu an ihn ergeht. Derjenige, welcher wissentlich falsche Angaben macht, wird mit dem 4 bis 10 fachen Betrage der Verkürzung bestraft, wenn eine Verkürzung des Staates stattgefunden hat, andernfalls mit dem 4 bis 10 fachen Betrage der Jahressteuer, um welche der Staat benachteiligt werden sollte, mindestens aber mit einer Geldstrafe von 100 M. belegt.
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